TAGESSPIEGEL, 5. März 2024
Gastbeitrag von Meike Kamp
Die Datenschutzbeauftragten sind keine Verhinderer
Der Tagesspiegel „rümpft die Nase“ in einem Beitrag über die Beauftragten der Berliner Verwaltung. In Bezug auf meine Position als Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit lese ich dort, dass ich mich mit viel Personal rühme, mich in Gesetzesvorhaben „einmische“ und schon so manches zur Strecke gebracht habe. Dabei sei die eigentliche Kontrollinstanz der Verwaltung das Parlament und über die Rechtmäßigkeit der Gesetze befänden die Gerichte.
Mit den vielen Missverständnissen in den wenigen Sätzen möchte ich aufräumen: Bei den Stellungnahmen der Datenschutzbeauftragten handelt es sich nicht um eine Einmischung nach Lust und Laune, sondern um die Wahrnehmung einer gesetzlichen Pflicht, die aus gutem Grund besteht.
Einzigartige Institution
Es gibt schlichtweg keine andere staatliche unabhängige Institution, die bereits bei der Erarbeitung von Gesetzesentwürfen primär die Freiheitsrechte in den Blick nimmt und diese gegenüber anderen Interessen verteidigt. Immerhin geht es mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung um ein Grundrecht, das in einer vernetzten Welt essenziell ist.
Die Datenschutzbeauftragten können frühzeitig für die Balance zwischen Sicherheitsinteressen und Freiheitsrechten sorgen. Der Blick zurück zeigt: So manches verfassungswidrige Gesetz hätte nicht später von Gerichten gekippt werden müssen – Stichwort Vorratsdatenspeicherung oder Polizei-Datenbanken –, wenn zuvor auf die Warnungen der Datenschutzbeauftragten gehört worden wäre.
Das zeigte sich gerade auch bei der im Artikel angeführten Diskussion um die Ausweitung des Einsatzes von Bodycams. Das Parlament hat meine verfassungsrechtlichen Bedenken im finalen Gesetz aufgegriffen und einen Richtervorbehalt formuliert. So funktioniert Rechtsstaat.
Stimme für die Grundrechte
Die Datenschutzbeauftragten sind keine Verhinderer, sondern ein wichtiges Korrektiv und Stimme für die Grundrechte. Gerichte entscheiden nicht über die Rechtmäßigkeit von Gesetzen, bevor diese erlassen werden. Und Parlamente sind keine Aufsichtsbehörden, die Menschen und die Verwaltung im Detail beraten und die Datenverarbeitung einzelner Stellen beaufsichtigen können: 40 Prozent mehr Anfragen nach Beratungen als im Vorjahr gab es 2023 bei der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.
Das sind 40 Prozent mehr Anfragen, bei denen meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Menschen in dieser Stadt ganz konkret geholfen haben, bei Fragen wie: Was sind meine Datenschutzrechte? Darf mein Chef mich am Arbeitsplatz per Video überwachen? Oder auch: Muss ich es zulassen, dass eine Bank mir basierend auf einem Algorithmus eine Kreditkarte verweigert?
Der Anstieg zeigt: Die Berlinerinnen und Berliner haben viele Fragen zum Umgang mit ihren Daten und wie sie ihre Rechte durchsetzen – massiv verstärkt durch die mittlerweile alle Lebensbereiche umfassende Digitalisierung.
Komplexe Beschwerdeverfahren
In vielen Fällen werden aus diesen Beratungen später konkrete persönliche Beschwerden gegen Berliner Behörden oder Unternehmen – und damit erfolgt an meine Stelle der Auftrag, eine einzelne Datenverarbeitung konkret im Einzelfall zu prüfen und zu bewerten. Rechtlich komplexe und technisch anspruchsvolle Verfahren sind oftmals die Folge, die bei schweren Rechtsverstößen auch zu Bußgeldern führen können.
Der Bedarf an datenschutzrechtlicher Beratung seitens der Menschen und der Verwaltung in Berlin ist unbestritten hoch. Hierfür benötigen wir personelle Ressourcen.
Insofern lässt sich auf den im Tagesspiegel zu lesenden Vorwurf, Gesetze und Handlungen der Verwaltung würden bereits von Gerichten und dem Parlament kontrolliert, entgegnen: Ja, das ist ihre Aufgabe, genauso wie es Aufgabe der Datenschutzbeauftragten ist, bereits beratend einzugreifen, um die Verletzung von Grundrechten frühzeitig zu verhindern, bevor Gerichte einschreiten müssen. Nicht zuletzt auch im Interesse der tausenden Berlinerinnen und Berliner, die sich jedes Jahr mit ihren Fragen und Bedenken an meine Behörde wenden.
Erstmals erschienen im TAGESSPIEGEL am 5. März 2024.